
Völlig unerwartet ist am 16. Oktober unser Mitglied Dr. Hans-Jürgen Schulze-Eggert verstorben. Die Nachricht von seinem Tod hat uns alle sehr erschüttert und tief berührt. Jahrelang arbeitete er im Vorstand unserer Gesellschaft mit und in den Jahren 2004 bis 2016 hatte er den Vorsitz inne.
Hans-Jürgen war promovierter Jurist und auf höchster Ebene im Bundeslandwirtschaftsministerium in Bonn aktiv. Anfang der 1990er Jahre kam er nach Potsdam, um hier am Aufbau des Landwirtschaftsministeriums mitzuwirken.
Er war ein in bewundernswerter Weise auf ganz vielen Ebenen begeisterungsfähiger Mensch, ein Sinnbild des engagierten Bürgers. Er brachte sich in seiner Kirchengemeinde, der Auferstehungsgemeinde, ein, in Landesarbeitskreis Christen und Juden der EKBO, in Friedensinitiativen und Parteien wie Bündnis 90/Die Grünen oder bei Fridays for Future. Gemeinsam mit seiner Frau Inge übernahm er die Vormundschaft für Muladad und Morteser, zwei minderjährigen Flüchtlingen.
Ganz besonders lag ihm aber daran, die Erinnerung an die Geschichte der Juden in Potsdam und im Land Brandenburg zu bewahren und die Entwicklung neuen jüdischen Lebens zu fördern. So hat er sich maßgeblich in der Erinnerungsarbeit an die Verbrechen des Nationalsozialismus in der Landeshauptstadt engagiert und sich in das Gedenken an die Pogrome des 9. November 1938 eingebracht. Hans-Jürgen setzte sich für die Verlegung von Stolpersteinen ein und für die Einrichtung einer Gedenktafel für Dr. Ludwig Lewy im Rathaus Potsdam. Er gründete den Bauverein Neue Synagoge Potsdam e.V. mit und war lange im Vorstand dieses Vereins aktiv.
Alle Aufgaben nahm Hans-Jürgen mit einem hohen Verantwortungsbewußtsein wahr, und das zeigte sich auch in seiner Arbeit für unsere Gesellschaft. Vor allem suchte er immer den Dialog, das Gespräch und die Zusammenarbeit mit Anderen. Er machte die Eröffnung der „Woche der Brüderlichkeit“ durch die Kooperation mit dem Landtag Brandenburg und dem Filmmuseum Potsdam zu einer weithin beachteten Veranstaltung in Stadt und Land. Er suchte die Zusammenarbeit mit den Schulen in Potsdam und band die Gesellschaft in die interreligiöse Initiative „Anders als du glaubst“ ein. Gemeinsam mit Schwester Johanna Schwalbe begründete er das Jüdisch-christliche Gespräch im Kloster St. Gertrud in Alexanderdorf; eine Veranstaltung, die zu einem wesentlichen Eckpunkt in unserem Kalender geworden ist.
Dank seines Einsatzes konnte die Gesellschaft – entgegen dem bundesweiten Trend – jedes Jahr neue Mitglieder gewinnen und zu einer anerkannten Stimme im interreligiösen Gespräch in Potsdam werden.
„Ein jegliches hat seine Zeit: Geboren werden und sterben, lachen und weinen, sich umarmen und sich lösen.“ Mit diesen Worten aus dem Buch Kohelet wurde Hans-Jürgen zur letzten Ruhe gebettet. Wir sind dankbar für die Zeit mit ihm. Hans-Jürgen wird uns als ein Mensch mit weitem Herzen und als ein Freund, an den man sich stets vertrauensvoll wenden konnte, in lebendiger Erinnerung bleiben.
Tobias Barniske für den Vorstand